Bei der größten Sportbusiness-Messe Europas, der SPOBIS, kamen Anfang des Jahres tausende Interessierte zusammen. Wie viel Relevanz die Industrie einem Thema beimisst, liest man aus der Menge an Vorträgen und Workshops ab, die es auf Europas größtem Sportbusiness-Event zu sehen gibt. eSport stand dabei durchgehend auf dem Programm, aus gutem Grund.
„Wir haben jede Menge Dinge, die andere Bewerbe versuchen zu sein. Wir sind digital, Menschen spielen online und konsumieren online, und wir sind jung, richtig jung. Also haben wir jede Menge Zeit.“
An der Leinwand der Vergleich: Der durchschnittliche Fußballfan ist 39, der durchschnittliche League of Legends Fan 21 Jahre alt. Und Dechelotte gibt Kritikern mit einer rhetorischen Frage zu denken:
„Ich spielte als Kind Keyboard und meine Mama unterrichtete mich darin. Später begann ich mich für DJing zu interessieren und meine Mama reagiert mit „Das ist doch keine Musik“. Bei der Diskussion um eSport als Sport ist es dasselbe. Die Frage ist doch: Will man Teil dieser Generation sein, oder nicht?“
FIFA: Die Zeiger stehen richtig
Tatsächlich beobachtet und partizipiert der Fußballweltverband schon seit Jahren am Gamingtrend, getragen durch die Tätigkeit von EA Sports‘ Fußballsimulation. Und auch Christian Volk (Head of Digital Marketing, FIFA) weiß um das Potenzial.
„Die eSport-Zielgruppe wächst im zweistelligen Bereich, das ist keine neue Erkenntnis. Spannend wird es, wenn man in Betracht zieht, dass ein Drittel der Weltbevölkerung sich für Gaming begeistert. eSport ist ein relativ kleiner Teil davon, aber interessant ist doch, wohin sich das entwickeln kann.“
Auf die Frage, ob Teams eSport auch als Teil ihrer internationalen Markenstrategie nutzen werden, antwortet Volk: „Kann ich mir gut vorstellen, weil eSport im Bereich Fan-Engagement und Brandbuilding extrem interessant sein kann, Mehrwerte bieten kann.“
DOSB und DAZN: Kein Handlungsbedarf
Selbstverständlich standen auch Sprecher am Pult, die eSport mit Vorsicht begegneten und nicht als Teil ihrer Agenda verstehen möchten. Allen voran Veronika Rücker (Vorstandsvorsitzende, Deutscher Olympischer Bund), die ihre kürzlich publizierte Stellungnahme erneut wiedergab:
„eGaming ist nur schwer mit dem Dach von Sportdeutschland vereinbar.“
Dennoch erwähnte auch sie das, was alle Beobachter der Branche feststellen:
„Wir akzeptieren und respektieren das eSport-Phänomen und wissen, dass eSport weiterwachsen wird. Ebenso ist uns seine Rolle und Bedeutung in der Jugendkultur bewusst.“
In einem ähnlichen Lager befindet sich überraschenderweise Thomas de Buhr (EVP, DAZN), welcher eSport nicht als relevantes Thema für seine Plattform sieht, jedoch in einem Nebensatz auch zu verstehen gibt, wieso das so ist:
„Ich war selber einmal eingeladen in Hamburg zu einem großen Event. Dort wurde Dota2 gespielt, ich habe das vorher noch nie gespielt und ich war restlos überfordert. Das war voll wie bei einem Rockkonzert, da hast du gedacht, hier spielen die Stones und es war die Stimmung wie bei einem Fußballspiel; ich hab‘s nur überhaupt nicht begriffen und ich konnte es nicht nachvollziehen und ich werde mich da nicht hineinbewegen.“
Prosieben und Vodafone: Aus Erfahrung besser
Laut Stefan Zant (Managing Director, ProsiebenSat1 Sports) hat die eSport-Industrie noch einige Hausaufgaben zu machen. Etwa die raffiniertere Aufbereitung von Content, die auch in klassischen Kanälen stattfinden müsse, um die gesellschaftliche Relevanz des Themas zu erhöhen.
„eSport ist nochmal einen Ticken komplexer als die NFL. Ich würde lügen, wenn ich sage, ich hätte LoL und Dota2 verstanden. Ich habe mich damit beschäftigt, ich verstehe es immer noch nicht. Aber das sind Themen, die wir in die breite Masse tragen müssen und deshalb redaktionell aufbereiten.“
Das deckt sich mit der Meinung von Gregor Gründgens (Director Brand Marketing, Vodafone), welcher auf dem SPOBIS 2019 tiefe Einblicke in die hauseigene eSport-Aktivierungsstrategie gewährte.
„Wir haben festgestellt, wenn du einen Menschen auf der Straße fragst, oder die Eltern in der Schule, die haben keine Ahnung vom eSport. Wir haben es uns darum auch zum Ziel gesetzt, Aufklärung zu betreiben, indem wir das Thema in Mainstream-Medien bringen. Dadurch erreicht das Thema auch eine breitere Öffentlichkeit. Wir haben etwa in einer Doku über den Sport an sich, über die Kultur und auch die Rolle der Frau in dieser Welt berichtet.“
Die Zusammenarbeit mit erfahrenen Stakeholdern aus der Community versteht er dabei als wichtigsten Grundstein für den Erfolg von Marken und ihren Kampagnen.
„Wir, Vodafone als Semi-Endemic Sponsor, mit wenig Ahnung und Kompetenz in dem Bereich, haben jemanden gebraucht, der uns diese Kompetenz überträgt. Und wir haben mit Mousesports ein Team unter Vertrag genommen, aber eigentlich haben die uns gesponsert. Denn wir haben gesagt: Ihr müsst uns da reinbringen und ihr müsst uns helfen zu verstehen, wie das eigentlich funktioniert.“
Autor: Fatih Öztürk (Link: Linkedin) ist Gründer der Agentur Spiel & Drang (www.spielunddrang.com), mit der er Unternehmen im Bereich Gaming & Esports-Marketing berät. Zu seinen Kunden zählen Firmen wie Red Bull.
Bilder: ©SPOBIS